“Frau Poznyak, wie geht es mit der Sprache?”

Wie ist es, Kinder zu unterrichten, die kein oder kaum Deutsch sprechen? Und wie fühlen sich die Kinder aus der Ukraine, aus Syrien und aus Rumänien an unserer Schule? Diese und weitere Fragen haben die SCHNIPSEL-Redakteurinnen Marwa und Schaima Frau Poznyak im Interview gestellt.

SCHNIPSEL: Was hat Sie an der Arbeit mit geflüchteten Kindern am meisten überrascht oder herausgefordert?

FRAU POZNYAK: Das sind nicht die passenden Worte. Ich versuche, ohne Erwartung an die Aufgabe heranzugehen. Und wenn ich nichts erwarte, dann gibt es auch keine Überraschung. Es macht mir Spaß, mit ihnen zu arbeiten und jedes Kind zu sehen. Ich hole ja jedes Kind da ab, wo es steht – jeden Tag. Es kann auch jeden Tag von woanders sein. Und das empfinde ich nicht als eine Herausforderung. Das ist meine Arbeit, die ich gerne mache.

SCHNIPSEL: Wie geht es im Unterricht mit der Sprache?

FRAU POZNYAK: Ich spreche hier für gewöhnlich Deutsch, aber ich beherrsche ja auch drei andere Sprachen. Die Kinder sprechen Ukrainisch, Russisch und Arabisch. Ukrainisch und Russisch sind für mich keine Fremdsprachen, daher ist es mit Kindern aus der Ukraine ganz einfach. 

Mit den syrischen Kindern ist es anders – sie sprechen Arabisch, ich nicht. Mit ihnen ist das so: Wenn wir die Sprache nicht haben, um einander zu verstehen, dann müssen wir mehr spüren und aufmerksamer sein. Ganz da sein, um zu verstehen, was eigentlich das Bedürfnis ist, was sie sagen wollen, was sie brauchen. Aber auch, was sie nicht sagen und trotzdem benötigen. Das ist das Schöne. Ich denke, eigentlich müssten alle Menschen so miteinander umgehen. Nicht nur einfach sprechen, denn da passiert es sehr oft, dass die Menschen aneinander vorbeireden, sondern ganz aufmerksam und ganz da sein und spüren.

SCHNIPSEL: Was meinen Sie: Fühlen sich die Kinder wohl an unserer Schule?

FRAU POZNYAK: Das müsst ihr die Kinder fragen! Ich glaube, es gibt auch Momente, die für sie nicht so angenehm sind. Aber das ist auch normal, denn sie sind ja nicht freiwillig hierher gekommen. Aber insgesamt sind sie mit der Schule sehr zufrieden. Meine Einschätzung ist, dass sie sich im Allgemeinen wohl hier fühlen.

SCHNIPSEL: Welche Regeln gelten für die Kinder hier?

FRAU POZNYAK: Die Kinder haben die gleichen Regeln wie alle anderen Kinder hier auch. Es gibt Klassenregeln, die bei uns in der Gruppe gelten, und sie müssen sich auch an alle anderen Schulregeln am Campus halten. Für sie gibt es nichts anderes als für euch.

SCHNIPSEL: Fällt den Kindern das Lernen der deutschen Sprache schwer?

FRAU POZNYAK: Die Schwierigkeit liegt für sie darin, dass sie hier ins kalte Wasser geschmissen wurden. Es ist nicht so, wie ihr zum Beispiel Englisch lernt – „ganz gemütlich“ in eurem Lerntempo und nach einem Rahmenlehrplan.

Man muss sich das vorstellen, wie sie hier erst einmal nichts verstehen und sich nicht orientieren können. Frage dich selbst: Wie geht es dir, wenn alles um dich herum fremd ist, und du verstehst noch nicht mal, was von dir gewollt wird? Dazu gehört auch, dass du dich zu nichts äußern kannst …

Das Gute ist, dass ich auch selber irgendwann in dieses Land gekommen bin, wenn auch nicht unfreiwillig wie sie. Ich kenne das Gefühl, dass du in ein Land kommst und erst einmal nichts kannst. Da fühlt man sich wie ein Hund: Ich kann nichts sagen, ich kann mich nicht erklären, ich kann mich verbal nicht verteidigen, wenn ich angegriffen werde. Das Gute daran kommt später: Wenn ich es einmal alles hier geschafft habe, dann kann es mir keiner mehr nehmen. Eine solche Erfahrung bleibt für immer, sie ist wie ein Fundament, sie macht einen innerlich unheimlich stark. 

Es ist wie eine Mutprobe. Es lohnt sich, da durchzugehen. Dann bist du mutig für immer. Die Kinder wissen das vielleicht noch nicht, aber sie werden es schaffen, und wir werden sie da hinleiten.

SCHNIPSEL: Vielen Dank für das Interview, Frau Poznyak.

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