Umgang mit (aufkommender) Schuldistanz im schulisch angeleiteten Lernen zu Hause

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Das schulisch angeleitete Lernen zu Hause ist für alle Beteiligten eine Herausforderung. Durch die neuen Anforderungen kann es bei manchen Schüler*innen dazu führen, dass sie (virtuell) schuldistant werden.
Dies kann unterschiedliche Ursachen und Gründe haben, denen auf verschiedenen Wegen begegnet werden kann und muss. Im Folgenden sind einige uns bekannte Ursachen und im nächsten Schritt der Umgang damit aufgelistet:

Ursachen (virtueller) Schuldistanz im saLzH 

  • Fehlende technische Ausstattung, sodass die Schüler*innen nicht an den Online-Angeboten teilnehmen oder auf das Material zugreifen können
  • Fehlende Tagesstruktur im Haushalt, sodass keine Routine in der Bearbeitung von Aufgaben entsteht. Darunter fällt auch die fehlende Unterstützung durch die Eltern oder Überforderung ebendieser, wenn mehrere Kinder im Haushalt leben oder sprachliche Barrieren das Verständnis erschweren.
  • Die Kinder haben keine Arbeitsplätze zu Hause an denen sie ihre Aufgaben erledigen und konzentriert arbeiten können. Die häusliche Situation ist einem Arbeiten zu Hause nicht angemessen. Durch den gebundenen Ganztag am Campus sind es die Kinder und Jugendlichen teilweise nicht gewohnt, zu Hause längere Arbeitsphasen zu haben, da sie sonst alle schulischen Aufgaben vor Ort erledigen.
  • Unwissen über die Möglichkeiten an Aufgaben und Material zu kommen. Dies trifft vor allem auf Schülerinnen zu, die sich auch im Schulalltag mit der Organisation ihrer schulischen Aufgaben schwertun (Hefterführung, Orientierung im Schulgebäude etc.). Allein komplexere Abläufe zu verfolgen, um sich und ihr Lernen zu organisieren, führt häufig zur Überforderung und zum Scheitern noch bevor die Bearbeitung der Aufgaben angegangen werden kann. Langfristig führt diese Frustration zur Demotivation.
  • Überforderung durch das Schulmaterial, das ohne die Unterstützung der Lehrkraft oder einer anderen Lernbegleitung nicht verstanden wird.
  • Fehlende Motivation bei den Schüler*innen. Anreize zu lernen sind bei unserer Klientel häufig das soziale Miteinander und die Beziehung zur Lehrkraft oder weiteren Pädagog*innen. Eine Lernatmosphäre und Anreize zu schaffen, die zu Hause eine Situation und Interaktion wie im Klassenraum entstehen lassen, ist nicht möglich.

 Umgang mit (virtueller) Schuldistanz 

  • In einem ersten Schritt gilt es die Schüler*innen auszumachen, die gefährdet sind, in die Schuldistanz zu rutschen oder schon davon betroffen sind. Die Zusammenarbeit aller Pädagog*innen (Lehrkraft, Erzieher*in, Schulsozialarbeit) ist dabei wichtig, um sich über Eindrücke und evtl. Ursachen auszutauschen und sich gemeinsam zu beraten.
  • Die Kontaktaufnahme mit dem*r Schüler*in bzw. den Eltern oder Erziehungsberechtigten hat oberste Priorität. Dabei ist ein persönlicher Kontakt am Telefon mit einer ihnen vertrauten Person wichtig, sodass ggf. auch unangenehme Themen, die mit Scham besetzt sind (Unwissen, Überforderung, …), angesprochen werden können. Wenn die Gründe für die Schuldistanz im Unwissen über Wege und Möglichkeiten der Aufgabenbereitstellung und -abgabe liegen, können sie meist in diesem Schritt aus dem Weg geräumt werden.
  • Eine Aufklärung über die Erwartung eines regelmäßigen Kontakts und auf welchem Weg dieser zustande kommen soll, findet statt (z.B. Telefonate, Online-Morgenkreise, Materialübergabe in der Schule etc.). Zudem findet eine Strukturberatung statt. Antworten auf Fragen wie „Wie viel Lernzeit kann mein Kind leisten?“, „Welche Pausenzeiten braucht mein Kind?“, „Welche Tagesstruktur unterstützt mein Kind?“, „Was kann ich tun um mein Kind zu unterstützen?“ bzw. bei älteren Schüler*innen „Was brauche ich um zu Hause gut lernen zu können?“ werden gegeben.
  • Liegen schwerwiegendere Gründe vor bzw. zeigt sich die Familie nicht kooperativ oder kann nicht erreicht werden, wird ein so genannter „Hausflurbesuch“ durchgeführt. Das heißt zwei Pädagog*innen (wichtig: im Vieraugenprinzip – Schulsozialarbeit, Klassenleitung) suchen die Familie zu Hause auf und besprechen Themen wie Schulpflicht im saLzH, Einhaltung einer Tagesstruktur und klären über die unterschiedlichen Wege, wie die Schülerinnen an Aufgaben kommen, auf. Wenn nötig wird auch die Bereitstellung eines technischen Gerätes durch die Schule abgesprochen.
  • Liegt nach Eindruck der Pädagog*innen die Sorge einer evtl. Kindeswohlgefährdung vor, werden Schüler*innen im Grundschulalter in die Notbetreuung geholt, sodass sie in diesem Rahmen lernen können und die Grundbedürfnisse versorgt werden. Dort können dann auch Einzelgespräche mit dem*r Schüler*in geführt und evtl. seelische Notlagen besprochen werden.
  • Bei älteren Schüler*innen werden diese für ein Gespräch in die Schule oder auf einen Spaziergang eingeladen um sich so vertiefter einen Eindruck machen zu können.
  • Auch Schüler*innen ab dem 7. Jahrgang werden in Ausnahmefällen für kurze Einheiten von ca. 90 min für bis zu zweimal pro Woche in die Schule eingeladen. So kann das Lernen im Einzel- oder Kleingruppensetting zeitweise begleitet und konkrete Absprachen für das saLzH getroffen werden. Eine Reduzierung der Aufgaben (z.B. Konzentration auf die Hauptfächer) hilft, um die Komplexität zu verringern und so Erfolgserlebnisse und daraus entstehende neue Lernmotivation zu schaffen.
  • Bleibt es trotz der Bemühungen bei anhaltender Schuldistanz, kann Kontakt zum SIBUZ und dem Jugendamt aufgenommen werden. Im Falle einer Kindeswohlgefährdung kann in Rücksprache mit der trägerinternen insoweit erfahrenen Fachkraft nach § 8a SGB VIII und nach individueller Gefährdungseinschätzung eine Anzeige wegen Kindeswohlgefährdung gestellt werden.